Rolle der Väter in der Sozialpädaogischen Familienhilfe
Wenn Eltern Unterstützung wie die Sozialpädagogische Familienhilfe (SPF) in Anspruch nehmen, richtet sich die Aufmerksamkeit vor allem auf die primäre Bezugsperson, in der Regel die Mutter. Dies zeigen aktuelle Studien aus der Schweiz, aber auch internationale Erfahrungen. Liegt es daran, dass Väter schwer zu erreichen sind, oder werden sie als Adressaten schlichtweg übersehen?
Eine Aktenanalyse der Ostschweizer Fachhochschule von 2022 zeigt, dass die SPF hauptsächlich auf die Mutter und das «Problemkind», das in der Regel als Auslöser für die SPF erscheint, fokussiert ist. Die Familienberater:innen arbeiten eng mit den Müttern zusammen und unterstützen sie in ihrem Entwicklungsprozess. Durch diese Fokussierung auf individuelle Verhaltensweisen wird die systemische Perspektive vernachlässigt, die auch gesellschaftliche Ursachen familiärer Probleme berücksichtigt. Die Studie vermutet, dass diese Einseitigkeit teilweise auf die Auftragserteilung durch die zuweisenden Stellen zurückzuführen ist.
Diese Beobachtung wird durch eine Studie der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) unter der Leitung von Heinz Messmer von 2021 unterstützt. Auch sie besagt, dass Kindsvätern in der SPF häufig die Rolle unbeteiligter Dritter zugewiesen wird und sie sowohl bei Alleinerziehenden wie auch bei Elternpaaren nicht so intensiv einbezogen werden wie Mütter. Nur bei einem Viertel der untersuchten Fälle werden explizit die Väter adressiert. Als Gründe werden vermutet, dass der Kindsvater häufig abwesend, stark belastet, schwer erreichbar oder nicht interessiert ist. Auch hier betonen die Forschenden, dass die Familienberater:innen nur selten über einen auf den Vater bezogenen expliziten Handlungsauftrag verfügen.
Die Forschung im Bereich der SPF ist in der Schweiz in den letzten Jahren stark gewachsen, dennoch ist sie erst jung. Daher legen die oben genannten Studien ihren Schwerpunkt auf die gesamte SPF und nicht spezifisch auf die Väter. Die Erkenntnisse zu den Vätern werden am Rande erwähnt.
Auch international kein Fokus auf Väter
Der mangelnde Fokus auf die Väter ist aber kein Schweizer Phänomen. Auch international wird eine zu geringe Ausrichtung der Sozialen Arbeit auf Väter diskutiert. In Deutschland wird der deutschen Kinder- und Jugendhilfe gar ein «Mutter-Bias» nachgesagt. Doch der sich anbahnende gesellschaftliche Wandel des Familienverständnisses birgt die Chance, dass Väter vermehrt als eigenständige Akteure im Hilfeprozess wahrgenommen werden.
Internationale Studien zeigen, dass sich die Beteiligung der Väter positiv auf den Erfolg von erzieherischen Hilfen auswirkt. In einer amerikanischen Studie der Sozialarbeiterin Melissa Wells von 2015 waren Jugendhilfemassnahmen um bis zu 40 Prozent erfolgreicher hinsichtlich der Sicherheit, Beziehungsstabilität und Förderung des Kindes, wenn beide Elternteile bei der Diagnostik, der Hilfeplanung und der Hilfeerbringung beteiligt waren. Die Studien legen nahe, dass eine bewusste Bemühung erforderlich ist, um die Wahrnehmung von Kindsvätern als wichtige Akteure in der Familienbegleitung zu stärken. Es ist wichtig, auf Väter proaktiv zuzugehen und sie möglichst von Beginn des
Begleitprozesses an zu beteiligen. Ansatzpunkte für die Arbeit mit Vätern ergeben sich bei Umbrüchen im Lebensverlauf, wie beispielsweise zu Beginn der Vaterschaft, bei Trennungen oder bei akuten Erziehungsproblemen. In der SPF ist es entscheidend, dass Familienberater:innen in diesen Phasen gezielt auf die Väter eingehen und ihnen Unterstützung und Anleitung bieten. Durch den Einbezug der Väter werden die Angebote der Familienhilfe effektiver und idealerweise verbessern sich die langfristige Stabilität und das Wohlbefinden der Familien.
Die eingangs gestellte Frage, ob Väter in der SPF schwer zu erreichen sind oder einfach übersehen werden, muss differenziert betrachtet werden. Die Gründe dafür sind komplex und oft schwer zu fassen. Sicherlich spielen individuelle Umstände in den Familien eine wesentliche Rolle. Es kann aber auch davon ausgegangen werden, dass die jahrzehntelange Konzentration auf die Mutter als primäre Erziehungs- und Bindungsperson sowohl bei den zuweisenden Stellen wie auch bei den SPF-Organisationen nachwirkt. Die allmähliche Veränderung der gesellschaftlichen Rollenbilder bietet jedoch die Chance, Väter auch in der SPF stärker in den Fokus zu nehmen. Zusätzliche Forschungsprojekte sind
erforderlich, um zu ergründen, wie es der SPF unter den gegebenen Umständen gelingen kann, die Väter stärker einzubeziehen.